Freitag, 9. März 2012

Fachsprache und Fachidioten


Im Physik Grundkurs in der Schule hatte ich einen Lehrer, der großen Wert auf die ordnungsgemäße Verwendung der "Fachsprache" legte. Es machte eine ganze Note Unterschied, ob man seine Beobachtungen und Gedankengänge in "Fachsprache" äußerste oder einfach in normal verständlichem Deutsch. Ich empfand dies damals als skurile Marotte eines Fachlehrers ...

Ein paar Jahre später auf der Uni begegnete mir dieses Phänomen erneut bei einigen speziellen Exemplaren der Gattung Student. Da entschied die Fachsprache darüber, ob man nun "in" war und dazu gehören durfte oder nicht. Die Häufigkeit der Verwendung der richtigen Fachbegriffe schien sich da oft umgekehrt proportional zum Selbstwertgefühl zu verhalten. Auch nach Studienabschluss stoße ich hin und wieder auf Menschen, die sich eines so häufigen Gebrauchs ihrer entsprechenden Fachsprache befleißigen, dass man den Eindruck hat, sie wollen gar nicht, dass Fachfremde sie verstehen.

Nachvollziehen kann ich den Gebrauch der Fachsprache (auch Idiom genannt) auf Tagungen und Kongressen, wo man quasi "unter sich" ist, grotesk wird es allerdings immer dann, wenn Fachleute auf Laien stoßen und nun meinen, die in ihrer Fakultät vorherrschende Lehrmeinung "unter das Volk" bringen zu müssen. Da kann man dann mitunter ein spannendes Phänomen beobachten. Zu Beginn des Gesprächs bemühen sich diese Fachleute um eine klar verständliche Sprache, sobald sie aber bei ihrem Gegenüber auf Kritik stoßen, flüchten sie sich in ihren Elfenbeinturm, ziehen die Fallbrücke hinauf und beginnen, mit Hilfe der Fachsprache, unüberwindbare Mauern hochzuziehen, die dem anderen vor allem eins beweisen sollen: nämlich dass er Laie ist und daher auch keine Ahnung habe. Von den Mauern seiner Festung sieht der Fachmann dann auf den Laien, den Nichtwissenden, herab und die Fachsprache bietet ihm eine gute Möglichkeit, sich dem anderen überlegen zu fühlen.

Nun ist die Strategie, sich durch Sprache ab- und damit andere Menschen auzugrenzen nichts Neues. Völker grenzen sich durch ihre Sprache voneinander ab und mit der Sprache wird eine ganze Kultur transportiert und mitunter auch konserviert. Auch die frühere Oberschichte nutze im Alltag eine andere Sprache als die Unterschicht. Je nach Mode und Zeit war das mal Latein oder auch Französisch. Da diente die Sprache auch dazu, seinen Rang zu festigen und sich gegenüber dem Pöbel abzugrenzen. Nicht umsonst spricht man auch von Sprachgrenzen.

Man kann mit Sprache also ganz bewusst Grenzen auf- oder auch abbauen. Sucht man den Dialog mit anderen (sozusagen fachübergreifend) wird eine allgemein verständliche Sprache genutzt, fachsimpelt man mit Kollegen, wird gerne mal auf die Fachsprache zurückgegriffen. Wenn man allerdings anfängt, während eines Gesprächs mit einem Fachfremden in sein entsprechendes Idiom zu fallen, dann zeigt das weniger den Fachmann als eher den Fachidioten.


Varuna

5 Kommentare:

  1. *höhö* Warum kommt mir das jetzt so bekannt vor, das Thema?

    Die Sîdh

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. ;-) tja, vielleicht weil wir beide den Anlass für diesen Text kennen?

      Löschen
  2. in meinem Beruf habe ich dafür den Begriff "Technoqautsch" kennengelernt.

    Und es zeigt auch , dass Fachkompetenz die nur mittels Fachbegriffe übermittelt werden kann , oft darauf hinweißt, dass die betr. Person gar nicht in der Lage ist Ihr Wissen deutlich - universell- darzustellen- ja möglicherweise nicht einmal wirklich selber verinnerlicht hat.................alos vielleicht nur ein/e
    Schaumschläger ist- kicher-

    AntwortenLöschen
  3. Ich war mal so einer, der sich mit möglichst vielen Fachwörtern und Prunkvokabeln versuchte "unangreifbar" zu machen, weil ich Angst davor hatte, dass meine Schwerhörigkeit immer mit "geistig minderbemittelt" gleich gesetzt werden würde, was so auch passiert ist. Das abzulegen, hatte ich erst in einer Therapie gelernt und, dass Sprache auch Mauern aufbauen kann, die zwar schützen, aber auch Kontakt unmöglich machen und dass es an mir sei, diese Mauern ein Stück weit wieder zu öffnen, um Begegnung möglich zu machen..

    Schöne Grüße,

    Steph

    AntwortenLöschen